Geschichte

Foto: v. l. Rudi Reich, Rainer Rostock, Heide Igel, Ella-Helena Hoffmann, Dieter Ertelt, Heinrich Scholl | Credit: Fred Baumgart

Gründungsgeschichte der SPD Ludwigsfelde

„Was wollen wir: Unterm Strich mehr für Ludwigsfelde“

Es ist eine besondere historische Anomalie der Wendezeit 1989/1990, dass die reformscheue Intuition Kirche eine nicht unwichtige Rolle im politischen Erneuerungsprozess spielte. Am 12. November setzte sich Dieter Ertelt in der kleinen Dorfkirche von Christinendorf nahe Trebbin links in eine der Kirchenbänke. Rechts in der gegenüberliegenden Reihe saß ein Mann in einem langen Trenchcoat. Ertelt dachte:

 „Ach, guck an: Die Stasi ist auch schon hier“.

Was er nicht wusste: Der seltsam gekleidete Kirchgänger malochte wie er im IFA-Autowerk und verfolgte auch in der Kirche denselben Plan. Der Mann im Trenchcoat war Heinrich Scholl. Beiden Männern lag weniger an Psalmen und Gebeten, sie wollten zu Pfarrer Steffen Reiche, einem damals 29-Jährigen, von dem sie über Mundfunk gehört hatten, dass er gut einen Monat zuvor die sozialdemokratische Partei der DDR (SDP) mitgegründet hatte. Eine neue unabhängige Partei, das klang nach Freiheit und echter Demokratie. Und das wollten Ertelt und Scholl auch in ihrer Heimatstadt. Pfarrer Reiche (später Brandenburgs Bildungsminister und Bundesabgeordneter) unterstützte sie bei dem Vorhaben.

 


Die Gründungsurkunde der SPD Ludwigsfelde

In der Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung von Familie Ertelt in der Friedrich-Engels-Straße 7 traf wenig später eine kleine Gruppe letzte Vorbesprechungen. Mit dabei waren Monika Nerlich, eine Arbeitskollegin von Ertelt, Heinz Papert, der sein altes SPD-Parteibuch seit dem Mauerbau zu Hause versteckt hatte, Heinrich Scholl und Ertels Ehefrau Eve-Gret. Aus der Taufe gehoben wurde der Ortsverein letztlich am 27. Dezember 1989 in einem Büro der damaligen Schwimmhalle mit einer Urkunde von Scholl handgemalt, wie auch die späteren Plakate und Wahlprogramme. 

„Natürlich war es am Anfang schwer. Wir brauchten für fast alles eine Genehmigung der SED: für die Kontoeröffnung, für Veranstaltungen oder den Druck von Plakaten bzw. Handzetteln“,

erinnert sich Dieter Ertelt. Doch der politische Umbruch war nicht mehr aufzuhalten.

 


Am Fang lief vieles über handgemalte Plakate

Am 23. Januar 1990 fand die erste Großveranstaltung des Ortvereins im Klubhaus statt – 280 Bürgerinnen und Bürger kamen. Ertelt begrüßte die Gäste u.a. mit Textpassagen aus dem Song „Leben einzeln und frei“ des sozialkritischen Liedermachers Hannes Wader. „Sag, bist du bereit | Dich mit aller Kraft zu wehren | Sie bekämpfen, zu bestehn? Du hast Mut genug | Willst du unsern langen schweren Weg | Gemeinsam mit uns geh'n?“

Die Stimmung im Saal war angespannt. Themen waren drohende Arbeitslosigkeit, die soziale Marktwirtschaft, die neue Reisefreiheit und die bald anstehenden ersten freien Volkskammerwahlen. Es gab viel Beifall.

„Löcher in den Bauch fragten uns die Leute aber nicht“, sagt Ertelt. „Vielleicht aus Angst oder weil sie ungeübt darin waren, ihre Meinung frei zu äußern.“

 


Wahlkampf aus der Anfangszeit

Es war die Zeit der Runden Tische in der Stadt und im Kreis. Hochmotoviert setzten sich die Ortvereinsmitglieder - mittlerweile war Mitgliederzahl auf mehr als 20 gestiegen -  für die Demokratisierung der DDR ein. Westdeutsche SPD-Politiker wie Walter Momper, Rudolph Scharping und Johannes Rau machten sich ein Bild von der 25 Jahre alten Industriestadt vor den Toren Berlins.

 

In dieser Zeit gab es die ersten Kontakte zum Baden-Württembergischen SPD-Ortsverein Gaggenau, der im Wahlkampf unterstützte. Von März bis Mai 1990 wurde das Wohnzimmer von Familie Ertelt zum Wahlkampfbüro. Später mietete der Ortsverein in der damaligen Kneipe Sportklause im Obergeschoss des Waldstations ein Büro. Sprechzeiten Dienstag, Mittwoch, Donnerstag 17 bis 19 Uhr. Mit ca. 30 Kandidat*innen und Kandidaten ging der Ortsverein in die Kommunalwahl im Mai 1990. 47,3 % lautete das Wahlergebnis, stärkste Partei. Für eine handlungsfähige Mehrheit im Stadtparlament schloss die neue SPD-Fraktion eine Koalitionsvereinbarung mit der CDU und dem Bund der Freien Demokraten. „Beim Aufbau der kommunalen Strukturen bekamen wir viel Hilfe aus Paderborn. Dabei war die Stadt CDU-regiert. Aber das war nebensächlich.“ Ertelt glaubt, dass es in Brandenburg und speziell in der „Arbeiterstadt“ Ludwigsfelde schon zu DDR-Zeiten viele Sympathien für die SPD gab.

„Außerdem haben wir uns neu gegründet und haben nicht wie die anderen zu DDR-Zeiten schon als SED-Blockpartei existiert. Ich denke, wir standen glaubhaft für Erneuerung. Und am meisten Wind gemacht haben wir auch.“

(Text: Christina Bauermeister)

 

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